Erfahrungsbericht von 6 Monaten ISAF Einsatz in Kabul 2/2

Die letzten Tage waren mal wieder sehr nervenaufreibend. Gestern hatten wir mal wieder bis in die Nacht CSR - Camp Site Reggae und haben da einiges erleben dürfen. Wir sind schon mit dem Wissen rausgefahren, dass es ganz schön krachen kann...
Es war eine ziemlich groß Operation angesetzt, bei der ein Dorf (Schachbrettdorf genannt, weil es von oben so aussieht) komplett durchkämmt werden sollte. Unsere Kräfte haben das Dorf mit einem äußeren Ring komplett dicht gemacht und der innere Ring hat das Dorf durchsucht. Ich war nicht bei dem inneren Ring dabei. Ich habe nur
das Mörserfeuer und die hellen Lichtblitze gesehen. Davon habe ich natürlich Photos gemacht :-).
Das Dorf wurde natürlich nicht beschossen, sondern es wurde Illum eingesetzt. Illum wird auch als Vorfeldbeleuchtung bezeichnet und kann mit einem Signalschuss eines Schiffs verglichen werden. Die Beleuchtung hält ca. 40sec an und die Nacht wird so kurz zum Tag. Erst in den letzten Sekunden vermittelt das Flackern der ausbrennenden Illum ein surreales Bild.

Wir sind also rausgefahren und hatten wie gesagt ein mulmiges Gefühl. An unserem Zielpunkt sind wir in einen dicken Stau geraten. Am Ende dieses Staus standen ein paar Fahrzeuge von uns, die einen Checkpoint errichtet hatten und die ankommenden Fahrzeuge kontrolliert haben. Die Afghanen sehen das mit den Verkehrsregeln auch nicht so eng - sie haben sowieso keine. Umgehend war die Strasse dicht, weil jeder zuerst vorbei wollte und so ging nichts mehr vor und zurück. Sehr schön und plötzlich war ich Einweiser. Wir haben in dem Chaos erst mal Ordnung schaffen müssen und alle die ins Dorf fahren wollten auf eine Seite bugsiert und die, die rauswollten auf die andere, damit in der Mitte noch Platz für Militärverkehr war. Als wir das so einigermaßen geschafft hatten und wir uns umgedreht hatten, brach das Chaos erneut aus. Ich konnte es kaum glauben.
Ich bin also erst mal zum ersten Afgahnen hin, der aus der Reihe getanzt ist und hab in wieder in seine Lücke fahren lassen. Das wollte der nicht so ganz verstehen und so musste ich eben etwas grober werden. Das ist hier echt ganz krass. Hier geht nichts, wenn du nicht grob bist. Das ganze Denken ist hier etwas anders strukturiert - wahrscheinlich der andauernde Kriegszustand und Kampf ums überleben?

Mein Gruppenführer hat mir danach auch gesagt, dass er schon gedacht hat, dass ich bei der Situation fast ausgetickt wäre, aber ich hab mich schon soweit unter Kontrolle, dass mich so was nicht juckt und ich das Mittel absichtlich eingesetzt hab, damit sich bei den Afgahnen mal etwas regt. Schön und gut. Wir hatten endlich alles wieder soweit unter Kontrolle und wollten wieder fahren. Doch das gestaltete sich als schwierig, weil ca. 200m vor uns ein einzelnes Taxi stand, bei dem mehrere Bombentechniker mit Hunden rumsprangen, die da angeschlagen hatten. JUHU. Mir war ja noch nicht mulmig genug. Die haben da 20min gesucht und letztendlich festgestellt, dass da doch nichts war. Gut, wir sind also weitergerattert...

Wir sind ganz normal unsere Routen abgefahren und in der Nacht irgendwann wieder zu der oben genannten Stelle beim Checkpoint beordert worden Dort standen wir dann ca. 2 Stunden und haben auch das "Feuerwerk" der Illums gesehen. Was mir aber wirklich in Mark und Bein ging, war, als wir plötzlich Schüsse und Menschenschreie hörten. Die waren nicht weit weg.

Wir haben sofort gemeldet und gefragt ob wir das aufklären sollten, aber wir sollten umgehend und in ein anderes Dorf fahren, und dort die Furt vom Kabul River zu beobachten. Letztens hatten dort Terroristen Minen gelegt, aber 2 von ihnen haben sich bei der Aktion in die Luft gejagt.
2 von 4 bedeutet, dass 2 immer noch auf der Flucht sind. Wir haben uns also dorthin aufgemacht und haben ein Weile beobachtet. Jetzt kommt der Adrenalinpart.

Wir haben dort mit Nachtsichtgeräten beobachtet und haben auf einmal einen lauten Knall gehört. Ein Schuss. Genau hinter uns. Wir haben uns natürlich umgedreht, konnten aber nichts erkennen, weil er aus dem Inneren des Dorfes kam. Wir haben das unserer OPZ gemeldet und sollten dort weiter beobachten. Zuerst war alles ruhig aber dann lösten sich auf einmal 3 Leute aus dem Schatten der Brücke und kamen über die Furt auf uns zu. Das Problem dabei war, dass sie alle Waffen hatten, die sie vor sich hielten. Juhu, das war ein "tolles"Gefühl - "Unglaublich gut". Es stellte sich raus, dass es afgahnische Polizisten waren, die dem Schuss auf den Grund gehen wollten. Puhhhhhh. Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen. Meine Waffen hing nicht mehr lose neben mir, sondern war schon entsichert und zeigte grob in die Richtung der Personen. Ich hätte sie nur noch ein Stück heben müssen um Schießen zu können. Das war wirklich knapp. Nicht wirklich beruhigend waren ebenfalls die Lichtblitze von Mörserfeuer oder Artillerie hinter der nahegelegenen Bergkette. Die ist zwar ein "Stück" von uns weg, aber trotzdem nicht sehr lustig, wenn’s da hinten blitzt und donnert. Das war kein Wetterleuchten mehr. Mit dem Nachtsichtgerät sah's noch krasser aus.

Wir sind dann um 0145 zum Glück wieder ins Lager gefahren. Mir hat's für diesen Tag wirklich gereicht.


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